Die strafrechtliche Einordnung der Sterbehilfe
Die Sterbehilfe, teilweise auch als Euthanasie bezeichnet, wird im Strafrecht unterschiedlich behandelt. Es ist davon abhängig, um welche Form der Sterbehilfe es sich im konkreten Fall handelt. Unterschieden wird in der Rechtsprechung zwischen der aktiven, der indirekten und der passiven Sterbehilfe.
Formen von Sterbehilfe:
Im allgemeinen Sprachgebrauch wird zwischen drei Formen der Sterbehilfe unterscheiden, auch wenn der Bundesgerichtshof in einem Urteil diese Begriffe nochmals neu ausgelegt hat.
Aktive Sterbehilfe bedeutet, dass der Tod einer Person durch aktives Handeln eines Dritten herbeigeführt wird. Indirekte Sterbehilfe bezeichnet die beschleunigte Herbeiführung des Todes meist durch die Verabreichung von schmerzlindernden Mitteln, hier ist der Tod allerdings nur als eine mittelbare Folge der Schmerzmittelbehandlung zu sehen.
Die passive Sterbehilfe bezeichnet die Todesherbeiführung durch Unterlassen bei einer nicht heilbar erkrankten Person. Die aktive Sterbehilfe ist immer strafbar, während die indirekte und passive unter bestimmten Umständen straflos bleiben können.
Der Begriff der Sterbehilfe impliziert schon, dass diese nur möglich ist, wenn sie im Einklang mit dem Willen des Patienten steht. Sterbehilfe gegen den Willen des Patienten ist Totschlag und somit immer strafbar.
Strafbarkeit der aktiven Sterbehilfe nach §216 StGB (Tötung auf Verlangen):
Verlangt einer Person aber nach einer aktiven Sterbehilfe, so kommt gegenüber der Person, die die andere getötet hat, eine Strafbarkeit wegen Tötung auf Verlangen in Betracht nach §216 StGB.
Die Strafbarkeit setzt voraus, dass jemand das ernstliche und ausdrückliche Verlangen zu sterben deutlich macht und der Täter von dem Getöteten zur Tat bestimmt wurde.
Das ernstliche und ausdrückliche Verlangen beinhaltet, dass das Opfer zumindest bedingungslos in die Tötung einwilligt und dass die Motivation zur Tathandlung vom Opfer und nicht vom Täter ausgehen muss.
Das Verlangen ist ausdrücklich, wenn das Opfer eindeutig zum Ausdruck bringt. Es ist nicht zwingend erforderlich, dass es wörtlich geäußert wird.
Ein ernstliches Verlangen bedeutet, dass sich der Wunsch zu sterben vollkommen frei und ohne willentliche Mängel bilden konnte. So kann es an der Ernstlichkeit zum Beispiel fehlen, wenn das Opfer an einer psychischen Erkrankung leidet, welche eine solch feie Willensbildung ausschließt. Auch genügt es nicht, dass es sich um eine leichthin gemachte Äußerung des Opfers handelte, sondern dem Todeswunsch soll ein tiefergehender Denkprozess vorangegangen sein.
Die passive Sterbehilfe durch Abbruch der weiteren Behandlung:
Nachdem teilweise aus der Tatsache, dass die deutsche Rechtsordnung das Rechtsgut Leben in absoluter Weise schützt, abgeleitet wurde, dass für Ärzte eine uneingeschränkte Lebenserhaltungspflicht abgeleitet wurde, entschied der Bundesgerichtshof, dass eben keine solche Rechtspflicht zur Erhaltung von verlöschendem Leben besteht.
Daraus ergibt sich, dass in Einzelfällen der Arzt nicht mehr verpflichtet sein muss die lebenserhaltenden Maßnahmen aufrecht zu erhalten. Dies kommt insbesondere in den Fällen in Betracht, in denen der Prozess des Sterbens durch die Maßnahmen lediglich in die Länge gezogen wird oder der Patient unheilbar krank ist und schwer leidet.
Die passive Sterbehilfe erfolgt auch auf Wunsch des Patienten. Wünscht er den Abbruch von bestimmten lebenserhaltenden Maßnahmen oder willigt er in deren Aufnahme gar nicht erst ein, so muss die Behandlung abgebrochen werden bzw. sie darf nicht aufgenommen werden, selbst wenn die aus medizinischer Sicht als erforderlich erscheint.
Wichtig anzumerken ist hier, dass der Behandlungsabbruch nicht immer straffrei ist. Vielmehr wird der Abbruch der Behandlung als Rechtfertigungsgrund anerkannt. Das bedeutet, dass der Tod durch das Beenden der lebenserhaltenden Maßnahmen grundsätzlich immer strafbar ist und nur in Einzelfällen als gerechtfertigt anzusehen ist.
So muss der Abbruch dem tatsächlichen oder mutmaßlichen Patientenwillen entsprechen. Passiert ein solcher Abbruch, ohne dass er in einem inneren Verhältnis zur medizinischen Behandlung steht, ist eine Rechtfertigung ausgeschlossen.
Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofes zur Sterbehilfe:
Dieser Inhalt stammt aus einem Grundsatzurteil des BGH von 2010 (BGH, Urteil vom 25. 6. 2010 – 2 StR 454/09 (LG Fulda)), in welchem er auch den Begriff des Behandlungsabbruchs einführte.
So unterschied sich die aktive von der passiven Sterbehilfe darin, dass bei der ersten Form der Tod durch ein aktives Tun einer Person herbeigeführt wird und bei der anderen der Tod aufgrund Unterlassens einer Heilmaßnahme eintritt.
In seinem Urteil sprach der BGH von Behandlungsabbruch, welcher sowohl durch ein aktives Tun als auch durch ein Unterlassen durchgeführt werden kann, denn der Begriff des Behandlungsabbruchs beinhalte nicht ausschließlich ein Untätigbleiben des Arztes. In der Vergangenheit wurde ein solches aktives Handeln von den Gerichten als Unterlassen umgedeutet, was schon häufig auf Kritik gestoßen ist.
In seinem Urteil mach der 2. Strafsenat sehr deutlich, dass nach seiner Auffassung der Begriff der Sterbehilfe nur verwendet werden kann, wenn er im Zusammenhang mit dem Behandlungsabbruch gebraucht wird.
Aus juristischer Sicht ist einer Sterbehilfe, die eben nicht in einem medizinischen Umfeld stattfindet und bei es nicht um den Abbruch von lebenserhaltenden oder –verlängernden Maßnahmen geht, gar nicht möglich, denn in diesen Fällen handelt es sich dann um Totschlag oder auch eine Tötung auf Verlangen.
Die indirekte Sterbehilfe durch Verabreichen von Schmerzmedikamenten durch den Arzt:
Neben dem Abbruch von lebenserhaltenden Maßnahmen wie Magensonden, kann der Tod eines schwerstkranken Menschen auch durch die Verabreichung einer größeren Menge von Schmerzmitteln eintreten. In diesen Fällen spricht man von indirekter Sterbehilfe. Der Arzt verabreicht dem Patienten eine größere Menge des Schmerzmittels, um seine Leiden zu lindern und als Nebenfolge tritt die Lebensverkürzung des Patienten ein.
Die indirekte Sterbehilfe kann also als Unterkategorie der aktiven Sterbehilfe bezeichnet werden und wäre folglich immer strafbar. In dem oben genannten Urteil erfasst der BGH jedoch ausdrücklich auch die Fälle der indirekten Sterbehilfe. Aber auch hier ist zu beachten, dass das Verabreichen der Medikation behandlungsbezogen sein muss.
Der Patient muss also auch hier wieder in die Lebensverkürzung als Folge einwilligen und die Medikation muss ebenfalls im direkten Zusammenhang mit der Behandlung des Patienten stehen.
So ist es keine Form der gerechtfertigten indirekten Sterbehilfe bzw. des Behandlungsabbruchs, wenn der Patient für die endgültige Beendigung seines Leidens die Verabreichung von Gift verlangt.
Denn hier ist der Eintritt des Todes der vorrangige Zweck der Giftverabreichung und nicht die Linderung von Schmerzen, während eine höhere Dosierung der Schmerzmittel auch in erster Linie die Leiden des Patienten lindern soll, um so den schon eingesetzten Sterbeprozess zu vereinfachen.
Die Folge der Lebensverkürzung kommt bei dieser Behandlung erst an zweiter Stelle.
Insgesamt ist auf dem Gebiet der Sterbehilfe und des frei bestimmten Sterbens noch nicht alles ausdiskutiert und von der Gesetzgebung und der Rechtsprechung sind noch weitere Änderung auf dem Gebiet zu erwarten.
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