Unterhaltsansprüche rückwirkend geltend machen?
Können Unterhaltsansprüche auch noch für die Vergangenheit geltend gemacht werden?
Grundsätzlich gilt im Unterhaltsrecht, dass Zahlungen für die Vergangenheit nicht geltend gemacht werden können. Wird von einem getrennt lebenden, noch nicht geschiedenen, Ehegatten erst einige Monate nach der Trennung der Anspruch auf Unterhalt geltend gemacht, so besteht eine Zahlungspflicht auch erst ab dem Zeitpunkt der Geltendmachung. Für die vorangegangenen Monate kann der andere Ehegatte nicht mehr in die Pflicht genommen werden. Es zeigt sich also, dass es hier besonders wichtig ist mögliche bestehende Ansprüche noch im Monat der Trennung gegenüber dem anderen Teil geltend zu machen.
Unterhalt für die Vergangenheit im Rahmen des Geschiedenenunterhalts:
Eine Ausnahme des oben erwähnten Grundsatzes findet sich im Unterhaltsrecht für geschiedene Ehegatten in §1585b BGB. Hier kann im Falle von Sonderbedarf oder im Fall des Verzugs des Pflichtigen auch Unterhalt für die Vergangenheit gefordert werden. Durch den Charakter als Ausnahmeregelung wird hier also der Unterhaltspflichtige vor Forderungen geschützt mit welchen er zum Zeitpunkt ihrer Entstehung nicht rechnen musste. Außerdem sollen Unterhaltsansprüche immer nur der Deckung des aktuellen Lebensbedarfs dienen.
Wann liegt ein Sonderbedarf vor?
Ein Sonderbedarf liegt vor, wenn ein unregelmäßiger, außergewöhnlich hoher Bedarf auftritt, welcher überraschend und in der Höhe nicht abschätzbar war. Die Wahrscheinlichkeit des Bedarfs war nicht abzusehen und konnte so auch nicht bei der Berechnung der schon laufenden Unterhaltszahlungen berücksichtigt werden.
Ob dieser Bedarf als außergewöhnlich hoch einzustufen ist, kann man allerdings nicht pauschal bestimmen. Hier muss die Höhe der schon laufenden Zahlungen berücksichtigt werden sowie die Einkünfte, die dem Unterhaltsempfänger ansonsten zur Verfügung stehen. Daneben wird auch darauf abgestellt, inwieweit es dem Berechtigten auch zugemutet werden kann den Bedarf aus eigener Kraft aufzubringen.
Da nach der Trennung die Ehegatten im Normalfall wieder für ihren eigenen Unterhalt sorgen sollen, wird auch erst erwartet, dass der berechtigte Ehegatte den zusätzlichen Bedarf aus eigenen Rücklagen deckt. Wichtig ist hier, dass Schulenden keinen Sonderbedarf darstellen können. Typische Fälle des Sonderbedarfs sind beispielsweise Kosten einer Krankheit oder auch Kosten eines unvorhergesehenen Umzugs.
In welchen Fällen ist eine Forderung für die Vergangenheit noch möglich?
Zum einen können Unterhaltsansprüche für die Vergangenheit ab dem Zeitpunkt des Auskunftsverlangens geltend gemacht werden. Vor der Bezifferung der geforderten Unterhaltssumme wird der Verpflichtete zur Auskunft über seine Einkommensverhältnisse aufgefordert. Die gerichtliche Aufforderung genügt hier nicht, sondern der Pflichtige muss durch den Berechtigten oder durch dessen Anwalt aufgefordert werden. Aus dem Aufforderungsschreiben muss der Pflichtige erkennen können, dass die Auskunft für die Bezifferung künftiger Unterhaltsansprüche gedacht ist. Ab diesem Moment muss der Pflichtige damit rechnen, dass Ansprüche gegen ihn geltend gemacht werden, sodass sein Vertrauen darauf nicht mehr Forderungsgegner zu sein, nicht mehr schutzwürdig ist.
Zweitens können Unterhaltsansprüche rückwirkend geltend gemacht werden, wenn der Pflichtige mit der Zahlung in Verzug geraten ist. Für den Eintritt des Verzugs muss eine Mahnung erfolgen. Damit die Mahnung auch wirksam ist, muss sie die Höhe des zu zahlenden Betrags enthalten und eine eindeutige Aufforderung zur Zahlung beinhalten. Wird eine zu geringe Summe in der Mahnung dargetan, so entsteht nur Verzug im Hinblick auf die zu gering bezifferte Summe, nicht aber hinsichtlich des eigentlichen Mehrbetrags. Solange der Unterhaltsanspruch besteht ist auch keine monatliche Wiederholung der Mahnung notwendig.
Der dritte Fall, welcher eine Forderung für die Vergangenheit ermöglicht, tritt ein, wenn die Zahlungsklage des Berechtigten dem Gericht zugestellt wird. Mit der Zustellung der Klage tritt Rechtshängigkeit ein, auch ab diesem Zeitpunkt muss der Verpflichtete also davon ausgehen, dass er auf Unterhaltszahlungen in Anspruch genommen wird, was seine Schutzwürdigkeit ausschließt.
Wie lange können Unterhaltsansprüche rückwirkend geltend gemacht werden?
Der dritte Absatz des §1585b BGB begrenzt den Zeitraum, für welchen die Unterhaltsforderung rückwirkend geltend gemacht werden kann, auf ein Jahr. Das bedeutet, dass im ersten Fall des Sonderbedarfs, die Forderung innerhalb eines Jahres ab Entstehen des Sonderbedarfes gegenüber dem Pflichtigen geltend gemacht werden muss. Der Jahreszeitraum gilt auch für die Ansprüche auf laufenden nachehelichen Unterhalt und für Unterhaltsrückstände. Die Frist von einem Jahr bezieht sich aber nur auf die erstmalige Geltendmachung des Anspruchs, hat also ein Ehegatte vor Gericht einen Titel gegen den anderen erworben, welcher diesen zur Zahlung verpflichtet, so wird dieser nicht innerhalb eines Jahres verwirkt.
Die Beweislast für den Verzug liegt beim Unterhaltsberechtigten, dieser muss also darlegen, dass die Zahlung des Unterhalts fällig war und dass die Mahnung erteilt wurde. Mahnt der Berechtigte den Pflichtigen selbst, so sollte darauf geachtet werden, dass die Mahnung nicht bloß mit einfachem Postbrief versendet wird, sondern dass mindestens das Einschreiben mit Rückschein gewählt wird. Im Idealfall sollte die Mahnung, ebenso wie die erste Aufforderung zur Zahlung, von einem Boten überbracht werden, um einen Zeugen für die Zustellung zu haben.
Kann Kindesunterhalt für die Vergangenheit gefordert werden?
Für eine mögliche Erstreckung des Unterhaltsanspruchs des Kindes auf einen vergangenen Zeitraum geltend erstmal die gleichen Voraussetzungen wie in den oben genannten Fällen. Rückwirkende Unterhaltsansprüche können also bei Sonderbedarf bestehen oder sobald die Auskunft über die Einkommensverhältnisse angefordert wurde, der Pflichtige sich mit der Zahlung im Verzug befindet oder er auf Zahlung verklagt wurde. Der Sonderbedarf im Rahmen des Kindesunterhalts wurde zum Beispiel bejaht, wenn eine Klassenfahrt des Kindes anstand oder wenn über einen kurzen Zeitraum Nachhilfe erforderlich war und diese nicht durch den laufenden Unterhalt gedeckt werden konnte.
Neben den schon bekannten Gründen, kann für ein Kind der Unterhalt auch dann für die Vergangenheit gefordert werden, wenn die Geltendmachung im benannten Zeitraum aus rechtlichen Gründen unmöglich war oder tatsächliche Gründe aus dem Verantwortungsbereich des Pflichtigen eine Durchsetzung der Ansprüche verhindert haben.
Der Fall der rechtlichen Unmöglichkeit liegt insbesondere in den Fällen von nichtehelichen Kindern vor. Hier kann der Unterhaltsanspruch gegen den Vater erst mit Anerkennung der Vaterschaft geltend gemacht werden. In diesem Fall ist es auch nicht erforderlich, dass der Unterhaltspflichtige in Verzug gesetzt wird oder auf Zahlung verklagt wird. Allerdings beschränkt sich auch hier der Zeitraum, in welchem eine Geltendmachung möglich ist, auf ein Jahr ab Entstehen des Anspruchs.
Eine Hinderung der Geltendmachung der Unterhaltszahlung aus dem Verantwortungsbereich des Pflichtigen kann dann vorliegen, wenn sich der Pflichtige an einem unbekannten Ort aufhält oder sich im Ausland befindet. Ebenso ist eine Hinderung aus tatsächlichen Gründen gegeben, wenn eine Gehaltserhöhung verschwiegen wird, welche zur Unterhaltspflicht führen würde.
Auch hier trägt der Berechtigte wieder die Beweislast für den Zugang der Mahnung oder das Vorliegen des Sonderbedarfs.
Sascha Gramm
Ihr Rechtsanwalt Familienrecht Hannover
Sie haben Fragen oder benötigen rechtlichen Rat?
Haben Sie noch weitere offene Fragen, benötigen einen rechtlichen Rat oder möchten sich von unserer Anwaltskanzlei vor Gericht vertreten lassen, dann kontaktieren Sie uns und profitieren von meiner langjährigen Erfahrung als Rechtsanwalt in Hannover. Senden Sie uns hier eine Nachricht per E-Mail oder rufen uns an!